Watt Volt ihr denn?

PC-Netzteil, das unbekannte Wesen

Mit dem gestiegenen Leistungshunger zeitgenössischer Prozessoren und Grafikkarten rückt das Netzteil stärker ins Blickfeld. Reichte zu seligen 486er-Zeiten noch ein AT-Netzteil mit Aufdruck "200 Watt" (wo freilich der Kühlkörperbestückung nach zu urteilen keine 200 Watt drin waren - wozu auch?), muß es heute oft schon ein anständiges Exemplar mit 300 bis 380 Watt sein. Doch halt - ist das mit der Leistung denn überhaupt so einfach?

Was ein Netzteil den ganzen Tag so treibt

Spannendes

Ein normales ATX-Netzteil hat einen recht klar definierten Job: Es soll den Rechner mit einer Anzahl von Gleichspannungen versorgen, und zwar ohne zu starke Abweichungen der Spannungen vom Nominalwert und ohne zu große Wechselspannungsanteile / kurzfristige Spannungsschwankungen (Welligkeit). Die wichtigsten hiervon sind +3.3V (i.allg. für div. PCI-Karten und AGP-Grafikkarten), +5V (bei älteren Mainboards zur Stromversorgung des Prozessors, Laufwerkselektronik) und +12V (Motoren von Festplatten und optischen Laufwerken, Prozessor-Stromversurgung bei aktuellen Boards, Stromfresser-Grafikkarten), die auf +/- 5% genau vorliegen müssen. Daneben gibt es noch +5Vsb (die Standby-Spannung, die auch bei abgeschaltetem Rechner, aber noch eingestecktem und angeschaltetem Netzteil anliegt - da daraus auch z.B. eine PCI-Standbyspannung generiert wird, vor Veränderungen im Bereich Steckkarten immer den Rechner vom Stromnetz trennen!), sowie die (in Bezug auf das Massepotential) "negativen Spannungen" -12V (für serielle Ports) und -5V (einige alte ISA-Soundkarten, heute oft unnötig), welche um +/- 10% schwanken dürfen.

Hitziges

Da ein PC-Netzteil günstig zu produzieren sein soll, ist eines oft suboptimal: Der Wirkungsgrad, also das Verhältnis von herauskommender zu hineingesteckter Leistung. Dieser liegt oft nur um 70% bei Vollast, bei Teillast teilweise noch erheblich darunter. Die Differenz, die schlicht im Netzteil in Wärme umgewandelt wird, muß natürlich irgendwo bleiben, und so finden sich in Netzteilen mehr oder weniger imposante Kühlkörper und ein oder mehrere Lüfter (mit diversen Kühlkonzepten).

Korrigierendes

Da PC-Netzteile als Schaltnetzteile die unangenehme Eigenschaft haben, Strom irgendwie zu entnehmen, bloß nicht sinusförmig und in Phase mit der Spannung, "verbiegen" viele davon die Netzspannung recht ordentlich und sorgen für Kopfzerbrechen bei den Stromanbietern. Deshalb ist seit einigen Jahren EU-weit der Einsatz von Power Factor Correction (PFC) vorgesehen, sei es als Passiv-PFC mit etwas sperriger und ggf. brummender Drosselspule oder als Aktiv-PFC mit zusätzlicher Elektronik.

Netzteilkauf

Beurteilung der Leistungsfähigkeit

Will man die Leistungsfähigkeit eines Netzteils beurteilen, so sollte man zunächst einmal auf das Etikett sehen und die maximalen Ströme auf +3.3V, +5V und +12V (und bitte nicht nur "peak", sondern dauerhaft) sowie die "Combined Power", also die maximale Leistung auf +3.3V und +5V zusammen, begutachten. Ergeben Combined Power und maximale Leistung auf +12V zusammen deutlich mehr als die Nennleistung des Netzteils, so handelt es sich offenbar um ein hinreichend flexibles Exemplar mit Reserven, muß man aber alle Ströme einzeln berücksichtigen, um überhaupt auf die Nennleistung zu kommen, so hat der Hersteller wohl gemogelt.

Sind die Angaben auf dem Aufkleber freilich erstunken und erlogen, hilft auch das nicht weiter - dann sollte man den Neupreis des Netzteils berücksichtigen. Ich bezweifle doch sehr, daß man für 25 Euro ein 550-Watt-NT bekommen kann, wo doch ein schon recht günstiges 300er Fortron fast schon 40 kostet - trotzdem wird so etwas bei Ebay in einer Bauform mit 12-cm-Lüfter angeboten. Dumm nur, daß aufgrund der Restriktionen der Kühlkörpergröße in dieser Bauform kaum Netzteile mit mehr als 400 Watt machbar sind... (Selbst Fortron bietet solche Gerätschaften nur mit maximal 350 W an, und bei Vollast sind die 350er eher Fortron-untypisch schon ziemlich an der Grenze.) Also: You get what you pay for, oder auf gut deutsch "Von nix kommt nix".

Bemerkungen zu einigen Herstellern

Astec - Klein aber fein

Vor einigen Jahren waren sie bei Fertigrechnern recht gängig, kleine PC-Netzteile von Astec mit 110 bzw. 145 W. Das Modell aus dem Siemens Xpert 8xxx mit 110 Watt z.B. hat teils recht erstaunliche Reserven. (Wer sie herauslocken will, sollte freilich besser die Durchlüftung verbessern.)

Fortron - Nicht nur klein, aber oho

Die diversen recht leistungsstarken und soliden, oft für OEMs gefertigten 250-Watt-NTs von Fortron wie auch bei Endkunden beliebten Exemplare mit 300 Watt und mehr (das 400W-Exemplar gibt es auch von Zalman und Nexus) zeugen davon, daß die Firma vernünftige Netzteile zu günstigen Preisen bauen kann. Einzig die Ausstattung ist oft nicht ganz so großzügig, auch der Wirkungsgrad ist normalerweise nur Durchschnitt. Besonders geringe Geräuschentwicklung ist nicht Standard, aber bei einigen Modellen gegeben (ATV-Serie, PN-Serie bei geringer Auslastung).

Enermax - Meist solide

Enermax-Netzteile sind in der Regel recht solide, wenn auch nicht unbedingt ultraleise oder besonders preiswerte Exemplare. Die Angaben zu den Strömen sind meist etwas großzügig, die Combined Power stellt den Kontakt zum Boden der Tatsachen wieder her.

Tagan - Vielversprechender Newcomer

Tagan-Netzteile basieren m.W. auf den aktuellen Topower-Modellen - und die scheinen wahrlich nicht schlecht zu sein, das 380er Tagan -U01 mit zwei 80er Lüftern fiel in mehreren Tests nicht nur durch geringe Geräuschentwicklung, sondern auch durch einen exzellenten Wirkungsgrad von ca. 80% über einen weiten Leistungsbereich auf.

Levicom - Durchschnitt

Im c't-Test stellte sich ein 350er Levicom als seiner Klasse nicht ganz angemessen heraus, zudem ist die Geräuschentwicklung nicht unbeträchtlich.

COBA - YMMV

Ein 350er COBA mit 80er Lüfter hatte sich im c't-Test wahrlich nicht mit Ruhm bekleckert, vielleicht ist das bei den aktuellen Modellen mit 120er Lüfter anders (leise sind die jedenfalls schon mal).


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Erstellt: 30.03.2004
Zuletzt modifiziert: 30.03.2004