Zur Zukunft des regionalen (terrestrischen) Rundfunks in Deutschland
Oder: Quo vadis UKW?
Totgesagte leben länger - das paßt kaum besser als beim hiesigen UKW-Rundfunk. Wer sich einmal die Masse der UKW-Empfänger in diesen Zeiten der Neuen Deutschen Sparsamkeit[tm] ansieht (es sind einige Millionen), der versteht sofort, warum eine "Abschaltung" (wer bestimmt das eigentlich, und wer schaltet da in unserer vielfältigen UKW-Radiolandschaft wen ab?) bereits 2010 völlig unrealistisch ist. Das mag man vor 10 Jahren als realistisch angesehen haben, als man noch glaubte, daß DAB der Knüller werden würde, das hat sich aber nun ganz anders entwickelt. Die Gründe dafür sind einfach: Mangelnde Geräteverfügbarkeit, keineswegs bessere Tonqualität (MPEG-1 Layer 2 [MP2] mit maximal 192 und praktisch eher 112 bis 160 kbps - was soll daran "CD-Qualität" sein?! Mal wieder typische 80-Jahre-"Digital ist besser"-Argumentation, ich komme mir da eher vera...lbert vor) - ganz davon abgesehen, daß es einen beim Küchenradio mit Einwege-Mono-Lautsprecher eh nicht weiter interessiert, ob nun 15 oder 20 kHz maximal drin sind - , beschränktes Programmangebot und praktischer Mehrwert höchstens im Autoeinsatz. Besserer Klang für die heimische Hifi-Anlage, gar Mehrkanalmodi - Fehlanzeige. Da fährt man doch mit einer Sat-Anlage deutlich besser, und wenn es terrestrisch sein soll, so entlockt ein guter UKW-Tuner älteren Datums - durchaus für um oder unter 50 Fragezeichen zu haben - auch dem "völlig veralteten" System guten Klang.
Wie soll es jetzt weitergehen? Ganz einfach: Erst einmal die vorhandenen Ressourcen (UKW-Empfänger) nutzen, statt an der Technik vor allem einmal an der Programmqualität (ich sag nur Dudelfunk) arbeiten - das wäre viel, viel wichtiger, es gilt schließlich nicht nur im WWW "content first" - und dann in Ruhe nach Möglichkeiten zum Bieten echten Mehrwerts suchen, siehe dazu mein folgender Vorschlag. UKW kann problemlos die nächsten 20-30 Jahre parallel erhalten bleiben; es ist sogar gut möglich, daß es irgendwann wieder im Trend liegt - zum einen waren Röhren ja auch schon mal out, zum anderen ist der gute alte UKW-Rundfunk gerade für kleine, preiswerte batteriebetriebene Empfänger weitaus besser geeignet (es gibt Taschenradios, die laufen dank entsprechender hochintegrierter ICs problemlos mit einer einzigen R6-Batterie mit 1,5 V, und das auch noch ziemlich lange) und somit als lokales bzw. (über)regionales Massen-Rundfunksystem geradezu prädestiniert. (Daneben ist die Reichweite größer als man denkt, es ist nur hierzulande alles mit Sendern vollgestopft, nicht selten unnötig. An sich ist eine beachtliche Vielfalt von Stationen drin, wobei der technische Aufwand sendeseitig sich in Grenzen hält - das sehe ich als eine große Stärke von UKW.) Wer Scheuklappen mit der fetten Aufschrift "Fortschritt" und darunter klein "koste es was es wolle" (und darunter noch kleiner "(den Steuerzahler natürlich!)") trägt, dem fällt sowas natürlich nicht auf.
Eine hochqualitative, flexible UKW-Ergänzung mit echtem Mehrwert sollte m.E. bieten:
- die Möglichkeit zum Übertragen beliebiger Datenstreams (auch mehrerer gleichzeitig, was man schon wegen Meta-Infos à la RDS brauchen wird) mit einer Gesamt-Datenrate von bis zu ~500 kbps (minimal vielleicht so 100), bei Kennzeichnung des verwendeten Datenformats in erweiterbarer Form; ein Empfänger mag die gängigsten Modi selbst dekodieren können (z.B. wird ein Taschenempfänger kaum Mehrkanalmodi schlucken müssen, da reichen dann MP3 und Co., was dann auch der Trennschärfe bekommen sollte, solange ein Sender immer nur soviel Bandbreite belegt, wie für die aktuelle Datenrate nötig), im Zweifelsfall sollte er z.B. ein AC3-Signal auch digital an die heimische Surroundanlage verfüttern können (dann sind Surroundlautsprechersysteme mit Satelliten ganz schnell wieder out, hähä) bzw. über USB o.ä. gar einem PC zum Fraß vorwerfen. Damit könnten fast beliebige Inhalte übertragen werden, z.B. nebenbei noch Bilder von der Webcam im Studio oder spezialisiertere Mehrwertdienste.
- keine Dynamikkompression von Musik sendeseitig! Das kann bei Bedarf empfängerseitig geschehen (weil man leise hören will oder Umgebungsgeräusche laut sind), aber wenn CD-Qualität oder besseres (es gibt ja einige Datenreduktionsverfahren, die auf Gleitkommabasis arbeiten, da wäre auch 24-Bit-Material beim Sender denkbar, mit 16-Bit-DAC und Software-Dithering oder 24-Bit-DAC beim Empfänger) vom Sender kommt, so soll das auch entsprechend hochqualitativ ertönen können. Als Kompromiß mag man bei einem komprimierten Signal einen entsprechend synchronisierten Stream mit der (quantisierten) aktuellen Verstärkung des Kompressors mitschicken wollen, damit sich der Empfänger daraus wieder die ursprüngliche Dynamik zusammenbasteln kann. (Ganz nebenbei: Aktuelle CDs sind ohnehin oft derart totkomprimiert, daß von "CD-Qualität" kaum noch die Rede sein kann. Diesen Lauter-ist-besser-Wahn sollte man auch mal so langsam loswerden.)
Damit sollte man eine deutlich bessere Qualität als bei UKW erreichen können (wenn z.B. das Äquivalent der MP3-Qualität von LAME mit alt-preset standard bzw. extreme über den Äther geschickt wird) - ist das nicht drin, so kann man's auch gleich bleiben lassen.
Wo man das ganze unterbringt? Vielleicht in einem von DVB-T verschmähten Fernsehkanal, oder zwei, da findet sich schon was - es muß halt eine gewisse Programmvielfalt drin sein, vorzugsweise ähnlich wie bei UKW. (Im Bedarfsfall sollte die Möglichkeit der Erweiterung des Empfangsbereichs bestehen.) Die DX-Qualitäten müssen sich dann zeigen. Praktischer Knackpunkt dürfte noch die Dauer von der Einstellung des Senders bis zum Ertönen des empfangenen Materials sein, was bei DVB-S-Empfängern in der Anfangszeit ein ganz ordentliches Ärgernis war, aber mittlerweile im Griff ist. Daneben ist die ganze Geschichte mit "welche Formate implementiere ich im Empfänger" und "wie aktualisiere ich die Firmware" nebst "könnte man nicht universellere Standard-Codecs für mehrere Empfänger entwickeln und ab und zu ausstrahlen (und wie kriegt man das virensicher)" zu bedenken. Wie aufwendig Mobilbetrieb zu realisieren ist, wird sich zeigen - Orientierungshilfe mögen MP3-Player sein.